Bei der Suche auf einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie machen Menschen sehr unterschiedliche Erfahrungen. Es gibt tatsächlich ein sehr unterschiedliches Verständnis darüber, was Tiefenpsychologie ist und was nicht. Worauf es dabei ankommt und warum das bei der TherapeutInnensuche relevant ist, erfahren Sie hier.

Auch innerhalb der Verhaltenstherapie gibt es verschiedene Ansätze und Richtungen, welche ich in einem anderen Beitrag bereits aufgeführt habe. Die Verhaltenstherapie hat jedoch im Gegensatz zur Tiefenpsychologie deutlich mehr Manuale und Leitlinien, die sich in der Regel auf Forschungsergebnisse beziehen. Entsprechend ist es sehr wahrscheinlich, dass depressive KlientInnen ein sehr ähnliches Behandlungsangebot unabhängig vom PsychotherapeutIn erhalten werden.cIn der Tiefenpsychologie ist das nicht unbedingt so. Stattdessen ist es wichtig zu schauen, aus welcher Denkschule der TherapeutIn kommt.

Tiefenpsychologie als kleine Schwester der Psychoanalyse

Die Tiefenpsychologie wird von AnalytikerInnen gerne als kleine Schwester der Psychoanalyse betrachtet. Hier werden die gleichen „Techniken“ wie in der Psychoanalyse eingesetzt, das heißt, man spricht miteinander und die TherapeutIn wird immer wieder durch Nachfragen, Hinweise oder Bezüge zur Vergangenheit versuchen bisher verdrängtes erlebbarer und verstehbarer zu machen. Der Stundenumfang  beschränkt sich in dieser Form von Psychotherapie auf nur 100 Stunden statt 300 wie bei der Psychoanalyse. Die Therapie in einer solchen tiefenpsychologischencBehandlungen findet nur wöchentlich und zwar im Sitzen statt. Auch in einer solchen Behandlung werden Bezüge zur Vergangenheit hergestellt, allerdings beziehen sich diese stärker auf die aktuellen Problemen im Leben der KlientIn. Die PsychotherapeutInnen solcher tiefenpsychologischen Behandlungen sind dabei ausgebildete PsychoanalytikerInnen, die neben der Psychoanalyse auch zur Behandlung mittels Tiefenpsychologie befugt sind.

Vielseitigkeit psychoanalytischer Ansätze

Aufgrund der Bedeutung von Sigmund Freud und zahlreichen nach ihm kommenden Psychoanalytikern ist es auch nicht möglich von der einen Psychoanalyse zu sprechen. Stattdessen haben sich über die Jahre nicht nur mehrere Therapieschulen, sondern auch unterschiedliche Behandlungsansätze innerhalb der Psychoanalyse entwickelt. Diese haben widerum eine große Auswirkung auf tiefenpsychologisch fundiert arbeitende KollegInnen.

In der Praxis ist das Verständnis von Tiefenpsychologie deutlich breiter

Der größere Teil an tiefenpsychologisch tätigen PraktikerInnen hat jedoch ein weitaus breiteres Verständnis vom Begriff der Tiefenpsychologie. Sie verstehen die Tiefenpsychologie weniger durch Techniken oder Stundenumfänge definiert, sondern betrachten sie eher als eine Denkschule, die sich eine eigene Sprache erschlossen hat. Der historische Hintergrund dieses Umstandes ist der, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Psychotherapeutengesetztes 1990 und damit der Gründung des Berufes des PsychotherapeutIn, zahlreiche PsychologInnen tätig waren, die weder eine verhaltenstherapeutische noch eine psychoanalytische Ausbildung hatten. Stattdessen waren diese KollegInnen in humanistischen Verfahren, körpersychotherapeutischen Verfahren, Hypnotherapie, systemischen oder sonstigen Therapieverfahren ausgebildet. Da jedoch lediglich die Tiefenpsychologie und die Verhaltenstherapie die wissenschaftlichen Studien vorlegen konnten, welche zur Anerkennung dieser Verfahren führten, mussten sich zahlreiche TherapeutInnen entscheiden zu welcher Richtung sie sich eher zugehörig fühlten, wollten sie fortan im Kassensystem tätig sein. KollegInnen aus humanistischen Schulen, wie der Gesprächspsychotherapie nach Rogers, der Gestalttherapie nach Fritz Perls, der Logotherapie nach Viktor Frankl, dem Psychodrama nach Jacob Levy Moreno, der Transaktionsanalyse, sowie zahlreichen körperpsychotherapeutischen Schulen, fühlten damals unter dem Dach der Tiefenpsychologien besser beherbergt als in der Verhaltenstherapie.

Die Psychoanalyse war vielen aufgrund ihrer beschränkter Therapiemethoden und höheren Ansprüchen beim Erwerb der Qualifikation zur Abrechnung der Psychoanalyse eher der Tiefenpsychologie gegenüber zugeneigt, da sie ihre bisherige Arbeitsweise in dem breiteren Verständnis von Tiefenpsychologie wiederfanden. Das bedeutet, dass Sie ebenfalls von unbewussten Kräften in der Psyche ausgingen und der Beziehung zwischen TherapeutIn und KlientIn einen hohen Stellenwert beimaßen. In ihrer praktischen Arbeit unterscheiden sich diese TherapeutInnen jedoch häufig von den tiefenpsychologisch arbeitenden PsychoanalytikerInnen deutlich. Das zeigt sich einerseits in ihrem Menschenbild, bei dem diese dem Menschen mehr positive Eigenschaften zuschreiben und eher an ein zu entfaltendes Potential glauben, statt an in Konflikt stehende und durch Triebe gesteuerte Individuen wie in der klassischen Psychoanalyse.

Entsprechend legt man in der therapeutischen Beziehung mehr Wert auf Augenhöhe Augenhöhe und auch die eingesetzten Techniken können stärker variieren. Bei einem solchen breiteren Verständnis von Tiefenpsychologie ist auch die Arbeit mit Stühlen, mit expressivem Ausdruck, Aufstellungen oder Teilen eine Möglichkeit, um mit unbewusstem und konflikthaftem Erleben zu arbeiten.

Relevanz für die TherapeutInnensuche

Diese Unterscheidung zwischen einem breiten Verständnis von Tiefenpsychologie und einem eher begrenzten halte ich für wichtig. Je nach Ausbildungshintergrund des KollegIn kann sich nämlich so hinter dem Begriff „Tiefenpsychologie“ ein sehr unterschiedliches Verständnis von der Gestaltung der therapeutischen Beziehung und der Arbeitsweise verbergen, was wiederum einen großen Einfluss auf die Therapie nehmen kann. Deshalb empfehle ich in der Regel immer den TherapeutIn nach ihrer Ausbildung zu fragen, sowie in den zwei bis vier probatorischen „Übungssitzungen“ zu schauen, wie der TherapeutIn arbeitet. Wenn man sich sicher ist, dass man eine tiefenpsychologische Behandlung beginnen möchte, kann es auch hilfreich sein mit mehreren TiefenpsychologInnen zu sprechen, um die individuellen Unterschiede zu erfahren.