Gewaltfreiheit

Liest man den Begriff Gewaltfreiheit und Psychotherapie, mag dies zunächst zu Verwirrungen führen, löst der Begriff „Gewalt“, doch schnell starke innere Bilder von körperlicher Gewalt aus. Dass diese Form Gewalt nichts in der Psychotherapie zu suchen hat ist denke ich ein allgemein geteiltes Verständnis aller zugelassener beruftätiger PsychotherapeutInnen.

Was emotionale Gewalt bedeutet

Wenn ich hier jedoch von Gewaltfreiheit schreibe, meine ich dabei das deutlich weitere Verständnis von gewalt, welches sexuelle, körperliche aber vor allem auch emotionale Gewalt mit einschließt.

Gewaltfreiheit ist für mich eng mit dem Begriff von Wahrung der Integrität verbunden. Integrität kommtaus dem Lateinischen von integratis und bedeutet unbeschätigt, heil oder unverletzlichkeit. Es geht in der Therapie also darum die Grenzen des Gegenübers zu wahren, um die Unbescholtenheit sicherzustellen.

Eine gewaltfreie Haltung

Gewaltfreiheit ist dabei eine Haltung, die den KlientIn nicht zu einer Anpassung zwingt, indem der TherapeutIn den KlientIn unter Druck setzt, beschämt, bewertet, kritisiert oder auf eine andere Art und Weise manipuliert. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass viele Menschen, die eine Psychotherapie aufsuchen genau diese Dinge bereits zu Genüge in ihrem Leben erfahren haben. Diese Erfahrungen sind in der Regel der Grund weshalb KlientInnen einen Psychotherapie aufsuchen. Mehr davon braucht es in der Therapie nicht!

Alle Teile sind willkommen

Stattdessen vertrete ich eine Haltung, die alle Aspekte des KlientIn wilkommen heißt und damit meine ich auch wirklich ALLE. Es ist meine tiefste Überzeugung, dass alles was wir in uns tragen und oft als negativ beurteilen entweder Last sind, die wir im Laufe des Lebens zumeist von den Eltern, der Gesellschaft oder anderen Personen übernommen. Die andere Kategorie von Aspekten des selbst, welche Klienten oftmals ablehnen sind Anteile, die nicht verstanden werden, weil sie aus heutiger Sicht nicht mehr funktional sind, keinen Sinn ergeben. Dass diese Anteile in früheren Jahren einen oft überlebenswichtigen Schutz geboten haben und eigentlich Helden, wird oftmals erst im Verlauf der Therapie verstanden. Mein Credo lautet deshalb: „Alle Teile sind herzlich willkommen“.

Der Zweck heiligt die Mittel – nicht!

Mir ist es sehr wichtig auf den Aspekt der Gewaltfreiheit zu verweisen, da ich im Laufe meiner verschiedenen Ausbildungen in allen Schulen, die ich näher kennenlernen durfte (Verhaltenstherapie, aber auch der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse) immer wieder auf Ansätze gestoßen bin, die die hier beschriebenen Aspekte eben nicht berücksichtigen. Nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ werden so zwar oft schnelle Erfolge im Sinne einer besseren Anpassung erzielt, wobei Anpassung auch ein Ziel von Psychotherapie sein kann, diese Anpassung geht jedoch mit zwei gravierenden Nachteilen einher. Erstens wird der Klient so gewungen Aspekte seines Selbst zu unterdrücken und Unterdrückung kostet Kraft und Anstrengung. Zweitens sind die so gewonnen Fortschritte oftmals nicht stabil. Sobald die nächste Überforderung kommt, kommt auch der „Rückfall“ ins alte Muster. Aus diesem Grund ist es mir inzwischen lieber geworden viele kleine Schritte zu machen, statt einen großen vor und zwei zurück.

Traumasensibilität

Traumasensibilität oder Traumabewusstheit ist ein Begriff, den man vor allem im anglosächsischen Bereich immer häufiger anfindet, zum Beispiel, wenn am Anfang von Filmen auf potentiell retraumatisierende Inhalte hingewiesen wird. Traumasenisbilität ist aber gerade für Psychotherapie von Bedeutung, da Traumata in der Regel der Grund für das Aufsuschen einer Psychotherapie darstellt. Mit Traumata meine ich hierbei nicht nur die Traumata, die durch extreme Gewalt, wie beispielsweise einer Umweltkatastrophe, Krieg oder einem Unfall auf Menschen einwirken, Grenzen überschreiten und so verherrende Auswirkungen auf das Individuum oder eine Gruppe haben. Ich meine stattdessen auch die vielen kleinen Grenzüberschreitungen, die oftmals im Familien- Freundschafts- oder Arbeitskontext umbewusst, subtil und über einen längeren Zeitraum Auswirkungen auf Menschen haben.

Traumasensibilität in der Praxis

Traumasensibilität bedeutet für mich dabei den Aspekt von Grenzverletzungen in der Vergangenheit bei meinem Gegenüber zu beachten und dafür zu sorgen, dass die Integrität in der Therapie gewahrt bleibt. Dazu zählt beispielsweise, dass ich KlientInnen während Erstgesprächen bitte nur so detailliert und ausführlich über Dinge zu sprechen, wie es für sie gut ist. In der Behandlung selbst erkläre ich zumeist am Anfang das Arbeitsmodell und hole mir eine Zustimmung ein. Auch in den weiteren Schritten ist es mir wichtig, dass mein Gegenüber während des kompletten Therapieprozesses ein Gefühl von Sicherheit, Kontrolle und Autonomie erlebt.