Für viele LeserInnen mag dieser Blogbeitrag vielleicht komisch anmuten, da es aktuell an sich schon schwierig genug ist, einen PsychotherapeutIn zu finden, vor allem bei einem bei dem die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden. Mir ist es dennoch wichtig auf dieses Thema einzugehen, weil die Wahl des richtigen TherapeutIn den Grundstein für eine erfolgreiche Therapie legt.

Am Anfang will ich allerdings auch noch klarstellen, dass es „DEN“ richtigen Therapeuten gar nicht gibt. Wir PsychotherapeutInnen sind alle nur Menschen, wir sind vielleicht etwas reflektierter, haben viel Wissen und Erfahrungen über die Psyche und den Umgang mit Menschen, vor allem Menschen mit großen Herausforderungen und Leid in ihrem Leben gesammelt. Am Ende des Tages, schlafen und essen wir, haben die gleichen Marotten wie alle anderen Menschen.

 

Auf die Passung kommt es an

Aber warum ist es so wichtig, einen passenden TherapeutIn zu finden? Es gibt eine Menge an Literatur über den Vergleich von verschiedenen Therapieverfahren. Manche Forscher habe ihr ganzes Leben danach ausgerichtet, herauszufinden, welche Therapieform die beste ist. Nach einer Vielzahl an Forschungsarbeiten und Zusammenfassungen solcher Arbeiten stellte sich jedoch heraus, dass das Verfahren nur sekundär ist. Der mit Abstand wichtigste Faktor, wenn es darum geht zu schauen, ob eine Therapie wirkt oder nicht, ist die therapeutische Beziehung. Die therapeutische Beziehung besteht aus verschiedenen Facetten. Noch viel wichtiger als das Verfahren ist somit, wie gut man sich mit dem TherapeutIn versteht.

 

Weshalb die therapeutische Beziehung so wichtig ist

Nun, zunächst einmal verbringt man mit seinem TherapeutIn eine Menge Zeit. Eine Therapie kann bei einer Langzeittherapie schon locker mal 60 bis 100 Stunden dauern. Das sind ca. 2-3 Jahre, in denen man sich wöchentlich sieht. Die therapeutische Beziehung ist zudem auch entscheidend, ob es wirklich zu einem menschlichen Austausch zwischen KlientIn und TherapeutIn kommt. Wenn ich als KlientIn das Gefühl habe, dass mein Gegenüber mich ablehnt, verurteilt oder ständig verbessert, wird es mir schwer fallen, mich diesem TherapeutIn gegenüber zu öffnen und über die Dinge zu sprechen, die mir wirklich auf dem Herzen liegen. Die therapeutische Beziehung ist darüber hinaus aber auch das Vehikel, über das ein Austausch geschieht. Nur wenn ich mich als KlientIn angenommen und wertgeschätzt fühle, bin ich offen von der anderen Seite etwas anzunehmen. Nur wenn diese Bedingung gegeben ist, kann ich von den Inhalten der Therapie etwas mitnehmen, egal aus welchen Verfahren (VT, TP, ST oder AT) der Inhalt dann kommt.

 

Der erste Eindruck zählt

Die Frage nach dem passenden TherapeutIn entscheidet sich oftmals schon sehr früh. Gefällt mir beim ersten Telefonkontakt die Stimme der Person an der anderen Seite? Mit was verbinde ich diese Stimme? Oder beim Erstkontakt: Sobald ich die Praxis betrete, wie fühle ich mich an diesem Ort? Wie wirkt mein Gegenüber auf mich? Oftmals kann man hier schon in den ersten 10 Sekunden ein erstes Bauchgefühl entwickeln. Auf diesem beruhend, würde ich noch niemanden empfehlen, eine Entscheidung zu treffen; der erste Eindruck ist dennoch sehr wichtig. Spüre ich sehr starke Widerstände gegenüber diesem Ort und diesem Menschen, ist es schwieriger eine Grundlage für eine gute therapeutische Beziehung zu schaffen.

 

Drei Indikatoren für die Entwicklung einer guten therapeutischen Beziehung

Auch wenn der erste Blick wichtig ist, sollte man sich von seinem Bauchgefühl nicht täuschen lassen. Der Weg in eine von der Krankenversicherung bezahlten Therapie führt über 4-6 Termine, bei denen man sein Gegenüber besser kennenlernen kann. In meinen Therapien weise ich meine KlientInnen zumeist in der ersten Stunde darauf, dass Sie sich ihr Gegenüber, als mich, während des Gespräches gut anschauen sollen. Ich betone die Wichtigkeit von 3 Dingen: Sympathie, Vertrauen und Zutrauen.

Ob eine Sympathie entsteht oder nicht, hängt oft mit dem oben erwähnten Bauchgefühl zusammen. Die Frage hier ist, ob der Therapeut für mich als positiv erachtete Eigenschaften besitzt. Es geht darum zu schauen, ob die Chemie stimmt und man auf einer ähnlichen Wellenlänge ist. Ein weiterer Aspekt ist aus meiner Sicht das Wertesystem des TherapeutIn. Als Vertreter sehr liberaler, sozialer Werte, wird es mir schwer fallen mich von einem eher konservativ eingestellten TherapeutIn angenommen zu fühlen.

Die zweite Komponente heißt Vertrauen. Entscheidend ist hier die Frage, ob ich das Gefühl habe, dass ich bei dieser Person sicher bin. Habe ich das Gefühl, dass ich dort offen über alle meine Themen und Probleme reden kann (vielleicht nicht jetzt sofort, aber später)? Dieser Punkt ist wichtig, denn der TherapeutIn sollte Eigenschaften aufweisen, die ihn neben seinem Fachwissen von den bisherigen Menschen aus dem Umfeld des KlientIn unterscheidet. Das ist insofern wichtig, weil man ja sonst vermutlich auch mit seinen Freunden, Eltern oder Großeltern über seine Probleme hätte sprechen können.

Die dritte Komponente lautet Zutrauen. Damit ist das subjektive Empfinden gemeint, ob ich diesem Therapeuten zutraue, mich bei meinen persönlichen Problemen begleiten zu können. Es geht hier also um die Einschätzung, welche Fähigkeiten dieser Mensch hat. Das Zutrauen wird oft beeinflusst durch Wissenschaftliche Titel, online-Bewertungen, abgeschlossene Ausbildungen, Behandlungsschwerpunkte, aber oft auch durch augenscheinliche Dinge wie das Alter. Zu letzterem gibt es einen eigenen Beitrag, ebenso zu guten Fragen für das Erstgespräch.

Manchmal kann es vorkommen, dass man sich hinsichtlich zwei der drei Punkte sicher ist und ein gutes Gefühl hat, aber bezüglich einem der Punkte noch unsicher ist. Dann würde ich immer empfehlen diesen Punkt in einer der probatorischen Sitzungen anzusprechen. Wenn sich durch das Gespräch so Bedenken auflösen lassen, steht einem Therapiebeginn nichts im Weg. Andernfalls empfehle ich eher weiterzusuchen.

 

Eine therapeutische Beziehung enfaltet sich

Oftmals dauert es länger als eine Stunde, um diese drei Dinge abschließend einschätzen zu können. Nach den ersten 4-6 Sitzungen sollte allerdings eine deutliche Tendenz entstanden sein. Eine Tendenz für eine Psychotherapie kann zum Ausdruck kommen, indem man z.B. in einer der ersten Stunden Emotionen zeigt, die bisher zurückgehalten wurden, indem man sich traut eine Sache anzusprechen, die man bisher für sich behalten hat oder indem man sich auf die nächste Stunde schon freut. Tritt keines dieser Dinge auf, stimmt der erste Eindruck nicht und auch in besteht auch in Bezug auf Sympathie, Vertrauen und Zutrauen eine große Unsicherheit, dann ist es am besten, wenn man weitersucht. Ebenso verhält es sich auch, wenn nach zu langer Zeit sich keine Erfolge einstellen. Ich habe zwar auch Therapien mit Menschen erlebt, bei denen die therapeutische Beziehung erst nach 40-50 Stunden gefestigt genug war, dass erste Schritte gemacht werden konnten. Das ist allerdings eher die Ausnahme. Eine Regel besagt, dass in den ersten 7-21 Sitzungen eine erste Veränderung spürbar werden sollte, weil sonst danach auch nicht viel zu erwarten ist.

Ich möchte Sie als LeserInnen hier gerne ermutigen diese Tipps zu beherzigen. Ich weiß, dass es momentan sehr schwierig ist, überhaupt einen Therapieplatz zu bekommen und die Logik „besser den/die, als keinen“ vielleicht Sinn macht. Ich empfehle Ihnen dennoch genau hinzuschauen und ihr Gegenüber nach den oben beschriebenen Punkten zu betrachten und wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach dem passenden Gegenüber.